Sonntag, 4. November 2012

Strafanzeige




Das Thema Strafanzeige


1. Gedanken zum Thema Strafanzeige
2. Auszüge aus dem Strafgesetzbuch
3. Das (Änderungs)Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Mißbrauchs
















1. Gedanken zum Thema Strafanzeige

Ich möchte mich an dieser Stelle nicht damit befassen, wie es ist, wenn es wenn es zu einem früheren Zeitpunkt zu einer Strafanzeige gegen einen oder mehrere Täter oder Täterinnen gekommen ist. Sondern damit, das du im Verlauf deiner jetzigen Auseinandersetzung mit dem Erlebten an einen Punkt kommst, wo du dich mit diesem Thema beschäftigst. Auslöser dafür kann vieles sein. Freunde, Beratungsstellen, Therapeuten, das Versorgungsamt, die dir zu einer Strafanzeige raten. Oder du selber bekommst das Bedürfnis, einen Täter anzuzeigen. Vielleicht ist es auch eine Mischung aus allem.
Es ist ein mutiger Schritt und vor allem ein wichtiger. Denn er bedeutet auch, dass du dich
von Tätern abgrenzt, das du ihr Handeln zumindest irgendwo in deinen Gedanken als falsch wahrnimmst, als etwas, was dir großen Schaden und Verletzungen zugefügt hat. Es kann auch ein Weg sein, deine Wut und oder die der Menschen, die dich begleiten, in Handeln umzusetzen.

Du solltest vor diesem Schritt aber unbedingt prüfen, ob du dich real in Sicherheit befindest.
Kennen deine Täter deine aktuelle Wohnanschrift, deinen Namen, deine Telefonnummer?
Für viele ist schon allein der weiter bestehende Kontakt zu Tätern, vor allem wenn sie aus der eigenen Familie stammen, ein Hinderungsgrund, sich gegen diese zu wehren. Zu groß die Angst, vor Repressalien. Ein letztlich ganz normales Gefühl.
Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die Täter in irgendeiner Weise dafür gesorgt haben, das du Angst hast, über das, was sie tun zu sprechen, das du das Gefühl hast, du hättest es verdient oder aber es ist nichts strafbares.
Vielleicht haben sie dir direkt gedroht oder durch ihr Handeln immer wieder sehr deutlich gemacht, das sie Macht über dich haben. Dich gegen sie zu wehren kann also erst funktionieren, wenn du aus dem direkten Einfluss deiner Täter raus bist. Ein Gefühl von realer Sicherheit kann erst entstehen, wenn du es auch wirklich bist.
Ich spreche von realer Sicherheit, da es noch ein sehr viel weiterer Weg sein kann,
dich emotional auch in Sicherheit zu fühlen.

Reale Sicherheit lässt sich durch Kontaktabbruch, Umzug, Namensänderung, geheime Telefonnummern etc. herstellen.
Jedes für sich ebenfalls anstrengende und Kraft erfordernde Schritte.

Du solltest vor diesem Schritt ebenfalls prüfen, ob du Menschen um dich hast, die dich begleiten und unterstützen können.
Dieser Schritt findet nicht nur auf einer Handlungsebene statt. Sondern wird dich in Gedanken beschäftigen, verschiedenste Gefühle auslöse. Rede mit anderen darüber, erzähle ihnen von dem, was dich bewegt. Lass dich von ihnen zu einzelnen Terminen begleiten.

Lass dich beraten. Es gibt verschiedene Beratungsstellen (auch siehe Anhang) und Möglichkeiten, dich im Vorfeld darüber beraten zu lassen, was eine Strafanzeige bewirken kann, welche Konsequenzen diese haben kann, wie das Verfahren ist. Und vor allem, ob überhaupt eine Möglichkeit besteht, noch Anzeige zu erstatten.
Die Verjährungsfristen für viele der möglichen Taten sind unterschiedlich und unterscheiden sich zudem teilweise auch noch danach, wann etwas stattgefunden hat, da Gesetzesänderungen erst ab einem bestimmten Datum in Kraft treten. (siehe hierzu auch Kapitel Verjährungsfristen unter 2.)

Sehr viele Betroffene brauchen Jahre und sehr viel Abstand, bevor sie anfangen, sich mit ihren Erfahrungen zu beschäftigen.
Oder sie tun dies erst an einem Punkt, wo sie anders nicht mehr weiter können, weil sie unter der Last zusammenbrechen.
Oder erst eben nach Jahren in die Situation kommen, das sie sich sicher genug fühlen, anderen davon zu erzählen.
Oder ein Ereignis Erinnerungen greifbar werden lässt. Oder sie erst nach Jahren auf Menschen treffen,
die ihnen die Möglichkeit eröffnen, statt unter größter Kraftanstrengung zu versuchen, dem zu entkommen, sich damit auseinander zu setzen.
Oder ein Täter stirbt oder taucht plötzlich wieder auf und bedroht dich vielleicht erneut.

Der nächste Schritt ist, dich von jemandem beraten zu lassen. Einzelne Beratungsstellen bieten eine so genannte Rechtsberatung an, die oft durch Anwälte/innen durchgeführt wird. Es gibt auch die Möglichkeit, dich direkt an eine Anwältin zu wenden. Hierzu kannst du auch den Erstberatungsschein des Weißen Rings benutzen.
(siehe "Hilfe und Unterstützung" sowie "Beratungsstellen/Links")

Bereite dich auf dieses Gespräch vor. Du wirst jemandem Fremden Teile deiner Geschichte anvertrauen müssen.
Du wirst möglichst genaue Daten brauchen. Du wirst in einem solchen Gespräch eventuelle angetriggert. Oder übertrittst ein Sprechverbot, das in dir nach wie vor wirksam ist.

Und das Ergebnis eines solchen Gespräches kann sehr erschütternd sein. Wie würde es dir damit gehen, zu erfahren, das die jahrelange Gewalt deiner Eltern im strafrechtlichen Sinne verjährt ist? Das ein Täter aus strafrechtlicher Sicht nicht genug Gewalt angewendet hat, als er dir das antat? Das „nur“ eine brutale Vergewaltigung strafrechtlich relevant ist?
Das auch Missbrauch verjährt?

Am Ende eines solchen Gespräches kann stehen, das du strafrechtlich nichts mehr gegen die Täter unternehmen kannst. Hinterfrage auch zivilrechtliche Möglichkeiten. Wobei diese in Deutschland sehr gering sind. Wut, das erneute Gefühl den Tätern unterlegen zu sein, Angst, diesen Schritt gewagt zu haben ohne ein erhofftes Ergebnis und viele Gefühle und Gedanken mehr können aus dieser Situation entstehen.

Wenn es eine Aussicht oder Möglichkeit gibt, tatsächlich eine Strafanzeige zu stellen ist auch dies nur der Anfang eines Weges. Bis es tatsächlich zu einer Verhandlung kommt wirst du verschiedenen Behörden begegnen,
deren Sprachgebrauch, deren allzu oft noch wenig empathischen Umgang mit dir und dem was du erzählst.
Im Verlauf eines solchen Verfahrens kann es trotz strafrechtlicher Möglichkeiten zu einer Einstellung des Verfahrens kommen wegen fehlender oder ungenügender Beweise, wegen Geringfügigkeit oder weil der Täter ausgenutzt hat, das du schon viel früher gelernt hast, dich nicht zu wehren. Viele Betroffene geraten auch nach dem ersten Täter noch an Menschen, die es ausnutzen, das deine Psyche gelernt hat, zu erstarren zu dissoziieren, wenn jemand sich dir auf bestimmte Weise nähert. Dich eben nicht zu wehren. Das macht es dem Täter sehr einfach. Kann aber dazu führen, das seine Tat nicht als solche strafrechtlich relevant ist, da der Aspekt der Angstreaktion eines Opfers aufgrund vorhergehender Traumatisierung nicht berücksichtigt wird.

Bitte geh bei all diesen Schritten vorsichtig mit dir um und lass dich vor allem dabei begleiten. Bitte hab den Mut, dich auch mit all dem auseinander zu setzen ohne dem Gefühl, selbst schuld zu sein ganz und gar zu unterliegen!

Ich will dir mit dem oben beschriebenen nicht den Mut nehmen, dich mit einer strafrechtlichen Verfolgung der Täter zu beschäftigen. Die oben genannten möglichen Schritte können jeder für sich auch ein Schritt auf deinem Weg sein.
Sie können dich weiter bringen. Und sei es nur, weil du dadurch erfährst, das das was du erlebt hast, nicht normal, nicht verdient und schon gar nicht deine Schuld war, sondern eine Straftat. Doch gerade der Aspekt der eigenen Schuld ist während dieses Prozesse ein Punkt, indem du eventuell sehr anfällig bist, für den du immer wieder Anhaltspunkte zu finden glaubst. Die Verjährung oder strafrechtliche Geringfügigkeit ist kein Anhaltspunkt dafür, das das, was dir widerfahren ist, das was die Täter getan haben, weniger schlimm wäre!

Was bleibt dir, wenn eine Strafanzeige nicht möglich ist? Wut. Hilflosigkeit. Das erneute Gefühl, unterlegen zu sein. Angst. Das Gefühl, das das, was du unternommen hast, um dich zu wehren, sinnlos war. das du hättest doch lieber einen anderen Weg gehen sollen? Das du nun auch noch die Konsequenzen tragen musst dessen, was du unternommen hast, um diesen Schritt überhaupt in Angriff nehmen zu können? Es an ihre Hauswände zu schreiben, es hinaus schreien wollen in die Welt…so dass doch wenigstens irgendjemand erfährt, was passiert ist…

Dich wieder zurückziehen. Bitte tue dies nicht. Mach weiter! Vielleicht hast du im zuge dieser Schritte dafür gesorgt, das du real in Sicherheit bist. Das ist für sich schon in wichtiger Schritt! Oder du hast Menschen etwas erzählt, was du bisher verschwiegen hast und diese unterstützen dich jetzt. Auch dies ist wichtig!


2. Auszüge aus dem Strafgesetzbuch

In der Linkliste findest du auch einen Link zu Seiten, auf denen du weitere Gesetzestexte findest.



Allgemeiner Teil (§§ 1 - 79b), 5. Abschnitt - Verjährung (§§ 78 - 79b), 1. Titel - Verfolgungsverjährung (§§ 78 - 78c)

§ 78 Verjährungsfrist


(1)Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus.
§ 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist

1. dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,

2. zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,

3. zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,

4. fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,

5. drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht,
ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder
für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.



Besonderer Teil (§§ 80 - 358)Fassung aufgrund des Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches vom 26.6.2002
13. Abschnitt - Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 - 184f)

§ 176 Sexueller Mißbrauch von Kindern


(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt
oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einem Dritten vornimmt
oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt.

(3) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erkennen.

(4) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt,
2. ein Kind dazu bestimmt, daß es sexuelle Handlungen an sich vornimmt,

3. auf ein Kind durch Schriften (§ 11 Abs. 3) einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen,
die es an oder vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem Dritten
an sich vornehmen lassen soll, oder

4. auf ein Kind durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen, durch Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(5) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach den
Absätzen 1 bis 4 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(6) Der Versuch ist strafbar; dies gilt nicht für Taten nach Absatz 4 Nr. 3 und 4 und Absatz 5.



Fassung aufgrund des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27.12.2003
Besonderer Teil (§§ 80 - 358), 17. Abschnitt - Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (§§ 223 - 231)

§ 225 Mißhandlung von Schutzbefohlenen


Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person,

dieseiner Fürsorge oder Obhut untersteht,

seinem Hausstand angehört,

von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder

ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,

quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen,
sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen,
wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1. des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder

2. einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung

bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.


3. Änderungs)Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Mißbrauchs

Am 29. Juni 2013 ist das Änderungsgesetz in Kraft getreten. Inwieweit dieses tatsächlich einen "Meilenstein in der Verbesserung der Rechte von Opfern" darstellt, wie es auf der Seite des Bundesministeriums überschrieben wird, bleibt offen.
Das ausführliche Gesetzt findest du hier:Bundesministerium der Justiz

Ergänzend und nochmal aus einer anderen Perspektive die Stellungnahme des Berufsverbandes deutscher Psychologinnen und Psychologen zu den Gesetzentwürfen: Stellungnahme

Unter folgendem Link eine ausführliche Darstellung zum Gesetz: wikipedia.org